14 Jahre danach
Wir standen im Stau kurz vor Frechen und in Tuchfühlung zur Abfahrt auf die A4 in Richtung Pokal-Viertelfinale. Der kurzzeitige Stillstand war aber nicht weiter schlimm, denn wir hatten Zeit genug bis zum Anpfiff. Zu den ganz großen Spielen fährt man mit so viel Vorlauf, dass es ohne vorherige Verzögerung schon fast gar keinen Sinn mehr machen würde. Staus wie der vor Frechen geben dann Orientierung. Man kann wichtige Fragen diskutieren, etwa solche: Würde einer wie Kai Michalke in so einem Spiel Sinn machen? Was würde Roy Makaay mit Alex Klitzpera anstellen und umgekehrt? Und wie würde Bixente Lizarazu abgehen, wenn er auf Willi Landgraf trifft? Wir hatten genau die richtigen Themen für einen Stau an diesem denkwürdigen 4. Februar vor 14 Jahren. Und am Ende war uns allen im Auto klar: An diesem Mittwochabend würde etwas Besonderes passieren. „Heute werden wir für all das belohnt, was wir uns in den letzten Jahren haben angucken müssen“, rief plötzlich jemand auf der Rückbank, nichtsahnend, dass wir 14 Jahre später ganz andere Sorgen als den tristen Zweitliga-Alltag haben würden, den wir damals einfach nicht zu schätzen wussten. Der Rest des Abends ist längst Geschichte: Blanks Erfindung des Flatterballs, Eriks Kopfball und sein Trikot über dem Kopf, der ekstatische Jubel als Mario Adorf ein Heimspiel für das Halbfinale zog und allen plötzlich klar wurde, dass Berlin tatsächlich möglich war.
Während der gerade abgelaufenen Winterpause feierte das denkwürdige Viertelfinale 2004 Geburtstag – Facebook erinnerte mich daran. Eine schöne Erinnerung, die viele erhobene Daumen nach sich zog. Überhaupt war die Winterpause in der Beziehung gar nicht mal schlecht, wenn ich es mir jetzt kurz vor dem Rückrundenstart überlege: So ganz ohne lästige Meisterschaftsspiele und wenn man mal von den Vorbereitungskicks gegen Elversberg oder Arnoldsweiler absieht, waren es vor allem positive Nachrichten, die während der Vorbereitung auf einen niederprasselten.
Eine eher schlechte Nachricht für die Stürmer von Erndte- bis Wiedenbrück dürfte die Rückkehr von Peter Hackenberg sein, denn ab sofort heißt es „Abprallen“, sollten sie tatsächlich versuchen am Tivoli in den Sechszehner zu kommen. Aber das ist dann auch wirklich deren Problem.
Ob der zweite Neuzugang für irgendjemanden ein Problem werden würde, war mir zunächst nicht ganz klar. Den Namen „Severin Buchta“ hätte ich bis dahin wahrscheinlich eher in die „Nordische Kombination“ nach Pyeongchang verortet, als in ein Team mit Peter Hackenberg. Also fragte ich etwas überhastet meinem alten Freund und KSC-Kupferstecher Holle in München nach dem Mann, der von seinem Verein an den Tivoli wechselte. Der antwortete auch prompt auf meine Recherche nach den Qualitäten des neuen Alemannen und was er sagte, machte mir Mut: „Rakete, der Mann – wie jeder vom KSC!“ Wer sich da noch Sorgen macht, ist nun wirklich selber schuld.
Als altem D-Jugend Trainer, der seine Trainingseinheiten akribisch mit Hütchen, Stangen und meist gut aufgepumpten Bällen vorbereitet, gefielen mir neben diesen Neuverpflichtungen vor allem auch die Bilder der Trainingseinheiten, die Fuat Kilic mit seinen Jungs durchzog und die die Social Media Abteilung fleißig teilte. Saftige Einheiten im Schneetreiben, knackige Runden durch den Würselner Wald während ich mit meinen Kumpels auf den Tischen von Kölner Kneipen Karnevalslieder schmetterte, Spinning-Einheiten im Fitnessstudio als ich danach meinen Kater kurierte und eben Stangen, Hütchen und gut aufgepumpte Bälle am Tivoli, so wie es – gute Trainer wissen das – eben bestens funktioniert.
Irgendwie gibt mir das alles ein gutes Gefühl – gerade, weil der kommende Gegner Wiedenbrück und nicht Bayern München heißt. An diesem Samstag werde ich im Stau kurz vor Frechen vielleicht nicht großartig darüber diskutieren, ob Severin Buchta gegen einen Mann dessen Namen ich nicht kenne, bestehen kann – genauso wenig habe ich wahrscheinlich eine Meinung dazu, ob irgendein Wiedenbrücker Stürmer an Peter Hackenberg abprallen wird. All das wird nur daran liegen, dass ich keinen einzigen Spieler des Gegners kenne. Trotzdem werde ich beim Blick auf die vordere Stoßstange schon mal ein bisschen träumen – von einem Auftaktsieg, von ein bisschen Tuchfühlung zur Spitze, von gutem Fußball und ganz vielleicht von einem kleinen Wunder, das einen ein bisschen belohnt, für all das was man in den letzten Jahren hat angucken müssen. Was soll man auch sonst machen im Stau kurz vor Frechen? 14 Jahre danach.
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